bildhauer karlheinz engelin im atelier in hamburg

Karlheinz Engelin im Atelier in Hamburg


Vita

Karlheinz Engelin wurde 1924 in Memel / Litauen  geboren.

 

1942 wurde er in Kiel zum Wachingenieur auf einem U - Boot ausgebildet.

Nach einer Zeit im Internierungslager und der Beschäftigung als Pferdeknecht in Ostholstein machte Engelin 1947 das Abitur, studierte Kunstgeschichte an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und machte gleichzeitig bis 1949 eine Steinmetzlehre die er mit der Gesellenprüfung abschloß.

 

Danach studierte Engelin an der staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Freiburg /Breisgau.

Er war Meisterschüler bei Wilhelm Gerstel und erhielt 1952 den Akademiepreis.


bildhauer karlheinz engelin war meisterschüler bei wilhelm gerstel

Karlheinz Engelin war Meisterschüler bei Wilhelm Gerstel.

1953 folgte ein Studienaufenthalt in Paris an der Akademie de la Grande Chaumière bei Ossip Zadkine.

Anschließend setzte Engelin sein Studium bei Edwin Scharff an der Landeskunstschule in Hamburg fort.

 

1954 heiratete er Gisela Hommes, die Studienkollegin aus Freiburger Zeit.

Beide arbeiteten zunächst in Breisach, seit 1958 als freischaffende Künstler in verschiedenen Ateliers in Hamburg und auf der dänischen Ostseeinsel Mön.

In Hamburg hatte er über 40 öffentliche Aufträge für Kunstwerke.

Er arbeitete sowohl gegenständlich als auch abstrakt.

1980 wurde er ausgezeichnet mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande.

Seine Werke sind in namhaften Sammlungen vertreten.

 

Karlheinz Engelin starb 1986 in Hamburg.



Im Atelier

T e x t   v o n   T o c h t e r   U t a .

 

Die Ateliers der Eltern waren ein phantastischer Ort.

Ich erinnere mich an eine frühere Autowerkstatt in Nienstedten nahe der Elbe, eine ehemalige Schiffsschraubenwerkstatt in der Alstertwiete, das nach eigenen Entwürfen gebaute Atelierhaus in Hummelsbüttel und das  romantische Atelierhaus auf der dänischen Ostseeinsel Mön, das meine Eltern von der Malerin Anne Marie Telmanyi übernommen hatten, mit der sie eine sehr herzliche Freundschaft verband.

Morgens vor der Schule warf ich immer einen Blick ins Atelier hinein.
Noch war es still, die Eltern noch beim Kaffeetrinken und Zeitunglesen.
Ich liebte diesen morgendlichen  Blick.
Figuren in verschiedenen Stadien, Werkzeuge, gespannte Stille.

Aus der Schule zurück hatten sich die Formen verändert - die Linien waren schwungvoller, ausgearbeiteter, die Oberflächen hatten Struktur erhalten, aus den Formen waren Figuren gewachsen.
Es wurde an großen Skulpturen auf Drehscheiben gearbeitet, kleinen Figuren aus Modellierton, gegen Austrocknung wie Mumien in feuchte Lappen gewickelt, schnell geformten Entwürfen aus Modellierwachs.
Es roch nach frischem Gips, nach aromatischem Wachs, nach kühlem feuchtem Modellierton.

Gipsflecken und Styroporflocken, neue Skizzen an den Stellwänden, alles war belebt, aufgeregt, hoffnungsvoll.


Bildhauer Engelin im Atelier mit Gipsmodell für Phönix

Bildhauer Karlheinz Engelin mit dem Gipsmodell des 'Phönix'

Die Wandregale des großen Atelierraums standen voll mit fertigen Bronzefiguren,

manche von meinem Vater selbst im Wachsausschmelzverfahren gegossen.
Im hinteren Atelierteil war in den Boden abgesenkt der Schmelzofen für die Bronze, weißglühend flüssig bei 1000 Grad gußbereit, ich durfte in ausreichendem Abstand hin und wieder dabei sein.
Die großen Gipsfiguren dagegen wurden in mehrere Stücke zersägt und in Holzkisten gepackt um in die Kunstgießerei gebacht zu werden wo sie gegossen und die Einzelteile vom Gießer und den Zisileuren wieder formvollendet zur Ausgangsform zusammengesetzt wurden.
Die Skulptur wurde dann per Spedition, Tieflader und Krahn an ihrem Bestimmumgsort endgültig aufgestellt.

Besucher kamen.
Auftraggeber für die großen öffentlichen Arbeiten, Kunstliebhaber und Sammler,

die die freien Arbeiten und die Zeichnungen schätzten, Neugierige.
Es gab Tee mit reichlich Rum, angeregte Gespräche, der gebackene ‘Gesundheitsfladen’, eine Hefekuchen-Erfindung meiner Mutter, warm aus dem Ofen mit Butter und Birnenkompott hielt die Gesellschaft oft bis spätabends im Atelier.
Mein Vater setzte kein theoretisches Kunstverständnis voraus.
Er forderte jeden dazu auf, die Figuren mit den Händen zu ' Begreifen ’, denn nur so könne man die Dreidimensionalität einer Plastik wirklich erleben.

Er konnte sehr spannend und umfassend erklären und wurde immer wieder gebeten Vorträge zu halten, eine Professur wollte er aber nicht annehmen.


karlheinz engelin portraitiert die dänische malerin anne marie telmanyi in ihrem atelier auf mön

Karlheinz Engelin portraitiert Anne Marie Telmanyi im Atelier auf Mön.

Karlheinz Engelin - Atelier auf Mön.

Das strohgedeckte Atelierhaus  meiner Eltern auf der dänischen Ostseeinsel Mön hatte der dänischen Malerin Anne Marie Telmanyi gehört.

Ich hatte ihr als Jugendliche für ein grosses Bild Modell gestanden und erinnere mich wie sie schon als ältere Dame im hellblauen Badeanzug bei jedem Wetter in der Ostsee schwimmen ging.

Meine Eltern führten viele Künstlergespräche mit dem Kunsthändler Christian Thede und seiner Frau, der Filmschauspielerin Asta Nielsen.

Mein Vater war oft an den Kreidefelsen, Flintsteinformen und Treibgut inspirierten ihn zu abstrakten Plastiken.

Bis zu seinem Tod war Mön sein künstlerischer Zufluchtsort.


künstlerring von bildhauer karlheinz engelin mit einem in silber gefassten seeigel von möns klint

Künstlerring von Karlheinz Engelin mit einem in Silber gefaßten Seeigel von Möns Klint.



Engelin Bildhauer Bronzeplastiken

( A u s w a h l  )

signatur des bildhauers karlheinz engelin in bronze

Signatur Engelin in Bronze




Engelin Bildhauer Zeichnungen / Radierungen

(  A u s w a h l  )


Aus einem Text von Gerhard Wietek

Landesmuseumsdirektor des Landes Schleswig - Holstein

...

Wer Leben und Werk des inzwischen ins sechste Lebensjahrzehnt Gelangten überblickt, erkennt zunächst, daß es sich bei dem einen wie dem anderen um bewußt erlebte Wachstumsprozesse handelt, in denen gar nicht der Versuch unternommen werden konnte, jemals den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun. Die innere Gesetzmäßigkeit, durch welche die gleichwohl erkenntlichen und unterscheidbaren Schaffensphasen miteinander verbunden sind, entspringt einer Künstlerpersönlichkeit, die nur hervorzubringen vermag, was bei Goethe als "geprägte Form, die lebend sich entwickelt" bezeichnet wird.

Engelins Kunst ist organisch bestimmt, nicht nur in ihrem Werden, sondern auch im jeweiligen Ergebnis. Sie ist ohne die Gewißheit, daß Gewachsenes Zeit benötigt und Reife des Wartens bedarf, überhaupt nicht denkbar.

Engelin kann warten, weil er innere Sicherheit besitzt und er jene unmittelbaren Wurzeln, die ihn mit der Erde verbinden, aus der die Kunst und ihr Stoff kommen, niemals verloren hat. Es ist kein Zufall, daß die nicht veränderbaren und beständig wiederkehrenden Vier Jahreszeiten bei ihm zu haptischer Form gedeihen, daß das Knospen und Entfalten, das Öffnen, Verschließen und Erstarren in seinem Werk zur freien plastischen Gestalt werden.

Das Warten und die Ruhe gehören zusammen, weshalb nicht das Vorübergehende, sondern das Bleibende eines Vor-Bildes, das sich beim Menschen im Stehen, Sitzen, Liegen als Sein manifestiert, von ihm gesucht und gefunden werden.

So wird die kleine, in ihrer Monumentalität dennoch kaum überbietbare Figur des "Faulenzers", ihrem Untergrund ebenso verbunden wie entrückt und auf ihre Grundformen gleichermaßen reduziert wie konzentriert, zu einem Symbol der Vita contemplativa als Voraussetzung der Vita activa und die Darstellung des Ruhens zur Verkörperung des Schöpferischen an sich.

In dieser Figur hat Engelin vollendet zum Ausdruck gebracht, was er unter Architektonik, Dreidimensionalität und Räumlichkeit versteht, einer Räumlichkeit, die nicht nur als umgebenes äußeres Element sondern ebenso als einwirkende Kraft verstanden wird.

So erscheint die Skulptur gleichzeitig als Gefäß, dringt nicht nur in den sie umgebenden Raum vor, sondern läßt ihn zugleich eindringen, um von ihm durchdrungen zu werden.

 

Diese Ambivalenz des Plastischen führt zur Gleichberechtigung konkaver und konvexer Formen, erlaubt ihre knollenhafte Verdichtung ebenso wie ihr Aufbrechen oder Hohlwerden, das Wechselspiel von Glätte und Struktur, das Aufprallen oder das Abgleiten von Licht wie das Einfangen von Schatten und Dunkelheit.

Damit tritt das bloße Abbild oder eine nach dem Grad ihrer Erkennbarkeit bewertete Wiedergabe in den Hintergrund des künstlerischen Interesses.

Der unbeirrbar beschrittene Weg führt von vorgefundener Wirklichkeit zur künstlerischen Natur der Dinge und über das schöpferische Spiel zur Gestaltung, wobei der meist mit der sensiblen Feder geführten Zeichnung hohe Bedeutung zukommt.

Weit davon entfernt, bloße Mittlerin zwischen Idee und Gestalt zu sein, gedeiht sie nicht selten zum gleichberechtigten und mitunter graphisch verewigten Ergebnis.

Auch hier geht es - wie im gesamten Werk - nicht um die Flüchtigkeit der Erscheinung, sondern um das Beständige individuell geprägter Kunst, deren Werden und Sein ihre Zeit finden.


Gerhard Wietek   1979